Hospitalkirche und Hospitalstiftung

Vor rund 300 Jahren haben sich die Biedenkopfer Bürger den bewaffneten Soldaten der Landmiliz in den Weg gestellt, um ihr Hospital zu schützen. Dieses und andere spannende Schlaglichter aus der Geschichte haben die rund 100 Besucher des Festakts anlässlich des Jubiläums „600 Jahre Hospitalstiftung“ am Freitag in der Hospitalkirche erfahren. Sänger Peter Hohenecker und Gitarrist Alexander Ott lockerten die ohnehin ebenso kurzweilige wie informative Veranstaltung mit kernigem Bluesrock musikalisch auf.

Mit „Leib und Leben“ hätten die Biedenkopfer ihr Hospital verteidigt, erklärte Gerald Bamberger als Autor der Festschrift, in die der Leiter des Hinterlandmuseums neue Forschungsergebnisse einfließen hat lassen. In dem Scharmützel gipfelte am 27. Juni 1714 der gut drei Jahrzehnte lange Konflikt um Kompetenzen und Rechte zwischen der Stadt Biedenkopf und der Kirche in Gestalt von Pfarrer Andreas Walther, dem immer wieder unordentliche und eigenmächtige Verwaltung des Hospitals vorgeworfen wurde, wie der Referent aus den Quellen zitierte.

Mit 600 Jahren sei die Hospitalstiftung – gegründet am Sonntag “Cantate” im Jahr 1417, also am 9. Mai – eine der ältesten Stiftungen in Hessen, machte Gerald Bamberger bewusst. Das Hospital selbst sei als „Siechenspital“ einem Altenheim ähnlich, in das sich Biedenkopfer Bürger mit wenigstens 30 Gulden, Auswärtige mit 80 bis 100 Gulden einkaufen konnten, erläuterte er. Das streng geregelte Leben dieser 6 bis 16 Pfründner sei mit klösterlichem Leben samt der festen Gebetszeiten vergleichbar.

Außer für das Hospital hätten die Hospitaliten auch für den Pfarrer Arbeiten verrichten müssen. Das Hospital habe sich außer durch die Beiträge der Bewohner vor allem durch die Einkünfte aus der Landwirtschaft finanziert, berichtete Bamberger. Gut fünf Jahrzehnte lang brachten die Herren von Breidenbach immer weitere Güter in ihre Stiftung ein.

Bernhard Stückelberg von Breidenbach zu Breidenstein als Vertreter der Stifterfamilie erinnerte in seinem Grußwort an seinen entfernten Vorfahren Ritter Gerlach von Breidenstein, der nicht nur als soziales Engagement und um sich ein Denkmal zu setzen, sondern wohl auch aus Sorge um sein Seelenheil vor 600 Jahren die Stiftung eingerichtet habe – in vorreformatorischer Zeit sei das Leben oft daran ausgerichtet gewesen, die göttliche Gnade und Verzeihung zu erlangen.

Die seinerzeit tief im Bewusstsein der Menschen verankerten Werke der Barmherzigkeit allerdings seien eine heute viel zu selten wahrgenommene Botschaft, mahnte der Freiherr. Auch der hessische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer als Schirmherr der Veranstaltung machte darauf aufmerksam, dass das Prinzip der Nächstenliebe über die Jahrhunderte bewahrenswert und unverändert aktuell geblieben sei. Dem darauf aufbauenden zutiefst menschlichen, christlichen und humanistischen Menschenbild fühle sich zumindest der aufgeklärte Teil der heutigen Welt verpflichtet.

„Sie sitzen eigentlich in einer kleinen Zeitmaschine“, erklärte Christoph Kaiser, stilecht als Tuchhändler Johannes Plitt in der Zeit um 1450 gekleidet. Er eröffnete den Besuchern einen neuen Blick auf die Hospitalkirche mit den Wappen der Stifterfamilie, den nach der Reformation fehlenden Lettner als Absperrung des Altarraums vor dem Volk und der Darstellung eines Teufels, der vom Altar abgewendet lieber südlich direkt in die Sonne blickt als auf den Tisch des Herrn. Sogar die Pflanzenmotive an den Wänden wusste Kaiser zu erklären: Wie sich bei der Eucharistie der Wein und die Hostie in Blut und Leib Christi verwandle, so sollten diese abgebildeten heilkräftigen Pflanzen ihre Wirkung für die Kranken und Schwachen in der Kirche durch die Wandlung entfalten, erklärte der Theologe.

Als Stiftungsvorsitzende hatte Pfarrerin Natascha Reuter eingangs gemeinsam mit dem Ersten Stadtrat Gerhard Hesse (CDU) die Besucher des Festakts begrüßt. Es sei bemerkenswert, dass die Stiftung nach einer so langen Zeit noch existiere, obwohl sie ihren eigentlichen Zweck nicht mehr erfülle – im Gegensatz zu damals seien viele öffentliche und private Einrichtungen, Anbieter und Dienste heute für kranke und alte Menschen da. (klk)


Wir bedanken uns herzlich beim "Hinterländer Männerensemble" und dem Instrumentalquartett für die Gestatlung des wunderbaren Konzertes zugunsten der Hospitalstiftung. 
Es sind knapp 1500 Euro zusammen gekommen.